INSPEKTOR SVENSSON: WANNABE SVENSSON [Der neue Adventskalenderroman]

Die folgenden Ereignisse finden zwischen 23 und 24 Uhr am Vortag zum Heiligen Abend des Jahres 2009 nach Christi Geburt statt. Alles, was Sie lesen, ereignet sich in Koordinierter Weltzeit UTC.

23.12.2009 - 23:00 UHR

[Lukas entdeckt eine neue Handyfunktion, Wannabe findet Trost]

Rasch kam vor dem - nach allen Seiten zur Straße hin von anderthalb Meter hohen Mauern begrenzten - Hof des eingestürzten Gebäudes in der Jump Street Nummer 21 eine immer größer werdende Menschenansammlung zustande, die aus schaulustigen Anwohnern der näheren Umgebung, vereinzelten Touristen und zahlreichen Reportern der verschiedenen Tagesblätter und Rundfunkanstalten gleichermaßen bestand. Die über Funk von Einsatzleiter Youstan Texas herbeigerufene Einheiten der Polizei sorgten an jenem Torbogen, durch den auch die Einsatzkräfte zuvor gekommen waren und der gleichzeitig den einzigen offenen Zugang zum Grundstück bildete, mit einer siebenköpfigen Sperrkette dafür, daß niemand unkontrolliert den Ort des explosiven Geschehens betreten oder verlassen konnte. In Begleitung zweier Beamter aber bahnte sich vom Inneren des Hofes her nun der - durch die Vorkommnisse der letzten Minuten von oben bis unten am ganzen Körper - sichtlich ergraute CI7 Chef mit dem erbeuteten Netbook in der Hand den Weg durch die Absperrung und das vor ihr herrschende Getümmel. Eine Reporterin sprang dabei auf ihn zu, hielt ihm ihr Mikrofon direkt unter die staubige Nase und fragte aufgeregt: "Clara Kent-Keiner vom Radiosender RADIO AKTIV 201.5. Sie sind doch Mister Browser, der Chef der hiesigen Antiterroreinheit, nicht wahr?!". Der Eingestaubte runzelte die schmutzige Stirn: "Mein Name ist Bauer ... B.A.U. wie die amerikanische Einheit für Verhaltensanalyse in Quantico und E.R. wie die Notaufnahme, in der auch Sie in wenigen Minuten landen könnten, wenn Sie mir und meinen Männern hier weiter den Weg versperren!". Die Reporterin Kent-Keiner hakte sichtlich echauffiert nach: "Kann ich Sie mit dieser Bemerkung zitieren?!". Der CI7 Chef aber nickte: "Allerdings, Sie können mich mal ... und zwar nicht nur zitieren, sondern auch endlich vorbeilassen". Damit drückte er sie und ihr Mikro mit einem gequälten Lächeln recht forsch zur Seite und setzte seinen Gang durch die Massen in Richtung des - auf dem nahegelegenen Parkplatz stehenden - Mannschaftswagens der Einsatzzentrale fort.

Unterwegs befreite Jack seine Kleidung dann allmählich auch von der dicken Staubschicht, die sie bedeckte. Geradezu liebevoll strich er zwischendurch immer wieder über das eingestaubte und leicht zerbeulte Netbook Cyphers, das er seit der Explosion wie seinen Augapfel hütete und von dessen Auswertung er sich insgeheim jede Menge neuer Erkenntnisse über den geplanten Atomangriff und dessen Hintermänner erhoffte. Und so überreichte er, endlich bei dem geparkten Mannschaftswagen angelangt, Youstan Texas und Tim Hakerman das Netbook auch geradezu wie ein rohes Ei. Tim Hackerman betrachtete sich das Gerät daraufhin eingehend und murmelte kopfschüttelnd: "Na, mal sehen, ob sich damit noch was anfangen läßt?! Ich hoffe nur, die Festplatte hat nichts abbekommen, dann besteht nämlich zumindest noch Hoffnung". Und damit machte er sich mit einem kleinen Schraubenzieher, den er aus seinem am Rollstuhl befestigten Notfallkoffer hervorgeholt hatte, an den Ausbau besagten Speichermediums. Jack aber nutzte die Zeit, um gegenüber seinem Koordinator Youstan noch einmal ein Resume des bisherigen Einsatzverlaufs zu ziehen, wobei er ausführte: "Das Gebäude ist ein einziges Trümmerfeld. Schwer verletzt oder gar getötet wurde zum Glück niemand, aber ein paar kleinere Verletzungen bei den Detonationen durch einzelne abgesprengte Gesteinsbrocken ließen sich natürlich nicht vermeiden". Bei diesen Worten griff er sich mit schmerzverzerrter Miene an den linken Oberarm, wo sich unter einem breiten Riß im Stoff des Anoraks eine leichtblutende Fleischwunde abzeichnete. Youstan Texas besah sich die Verletzung seines Chefs etwas genauer und meinte dann besorgt: "Also Jack, das sieht aber gar nicht gut aus! Ich glaube, das muß genäht werden!". Jack aber legte sich die rechte Hand auf die Wunde, während er mit der linken müde abwinkte: "Ist nur ein Kratzer! Jetzt haben wir erstmal Wichtigeres zu tun, als hier Putz- und Flickstunde abzuhalten. Also weiter im Text: Die Geisel Henry Fist ist am Leben, aber dem ersten Augenschein nach in einem erbärmlichen Zustand. Von Lou Cypher hingegen fehlt jede Spur, vermutlich war er schon bei unserem Eintreffen längst über alle Berge ...". Aus dem Hintergrund aber rief eine leise Stimme: "Also das glaube ich eher nicht!". Es war Timmy, der Jack nun an dieser Stelle ins Wort fiel. Dabei deutete er auf einen der im Einsatzwagen befindlichen Monitore und erläuterte: "Unser Eintreffen hier war um 22.17 Uhr. Um 22.15 Uhr aber wurde laut einem auf der Festplatte des mir von Ihnen übergebenen Netbooks befindlichen ICQ-Verlaufsprotokoll der letzte Nachrichtenaustausch vonseiten Cyphers, der dort den vielsagenden Nickname LordDeVil benutzte, mit den Sätzen beendet: 'Soweit die von mir dem abtrünnigen Verräter entlockte detaillierte Bauanleitung eines Uran 235 Atomsprengkopfes. Leite um 22.55 Uhr die Liquidierung des Mannes innerhalb der völligen Vernichtung meines Verstecks sowie aller Spuren, die von mir zu ihnen Beiden führen könnten, ein und überwache dabei zur Sicherstellung des Gelingens die ganze Aktion bis zur Detonation vom Hof aus. Gute Nacht!". Jack aber fluchte entrüstet: "Verdammt, dann ist dieser Mistkerl vermutlich noch immer vor Ort! Youstan, alarmieren Sie umgehend die Teams und alle Polizeikräfte! Das gesamte Gelände des Hofes sowie dessen unmittelbare Umgebung ist gründlichst nach gesuchtem Lou Cypher zu durchkämmen!". Und während nun auch Jack sich daraufhin im Eiltempo auf den Weg zurück zum Explosionsort machte, drehte er sich noch einmal ganz kurz zu Tim Hackerman um und meinte anerkennend: "Hervorragende Arbeit, Timmy! Solche Leute wie Sie braucht unsere Eliteeinheit! Melden Sie sich Anfang nächsten Jahres doch mal bei Youstan! Er ist da nämlich noch auf der Suche nach einem Nachfolger für seinen jetzigen Posten!". Timmy aber war von diesem überraschenden Jobangebot sichtlich begeistert und rief dem davonrennenden CI7 Boß nach: "Danke, Jack! Das mach ich!".

Lukas Svensson hockte derweil neben dem noch immer auf dem eisigen Erdboden knienden, ununterbrochen bitterlich weinenden Charles. Er hatte seinen Arm um die zitternden Schultern seines Partners gelegt und wischte ihm mit den staubigen Fingern die Tränen von den Wangen. Charles aber schluchzte: "Es ist jedes Mal das selbe! Da hat man jemanden in sein Herz geschlossen, und dann kommt so ein verfluchter Schicksalsschlag und entreißt einem von einer Sekunde auf die nächste das geliebte Wesen! Dabei hatte ich mir damals als Kind nach dem gewaltsamen Tod meiner Mutter doch fest geschworen, daß ich mich nie wieder gefühlsmäßig so sehr an jemand binden werde, daß es mir das Herz zerreißen kann, wenn er plötzlich nicht mehr da ist! Und jetzt hab ich es doch wieder gewagt und muß erneut einen derart schmerzlichen Verlust wegstecken. Mein Gott, Lukas, es tut immer wieder so verdammt weh! Wann wird das bloß endlich aufhören, daß das einem so weh tut?". Nochmals entfernte Lukas Hand eine Träne aus Wannabes Gesicht, und hauchte dabei leise: "Hier auf dieser Welt hört das niemals auf, mein Freund! Immer wieder weden wir von uns geliebte Wesen an den Tod verlieren. Das Erdenleben an sich ist nunmal ein ununterbrochenes Kommen und Gehen! Und dem Ungläubigen kann man da auch gar keinen Ausweg anbieten aus jener zutieft bedrückenden Vergänglichkeit des Seins. Dem, der da glaubt, allerdings bleibt als Trost und Hoffnung die Ewigkeit. Jene Zufluchtstätte jenseits der Todesgrenze, von der die Heilige Schrift sagt: 'Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein'". Charles' getrübter Blick wurde mit einem Male wieder klarer und seine Augen begannen zu strahlen: "Aber, das .. das ist doch die Offenbarung des Johannes, Kapitel 21, Vers 4. Meine Mutter Simone hat mir als kleiner Junge diese Bibelstelle immer als Trostpflaster vorgelesen, wenn ich mal wieder heulend mit einer großen Schmarre von einem meiner kindlichen Streifzüge durch Wald und Feld zurückkehrte. Und dann hat sie mir einen Kuß auf die Stirn gehaucht und geflüstert: 'Siehst Du, mein lieber Charliebär, alles wird bald schon wieder gut!'". Nun stand auch Lukas Svensson eine verstohlene Träne im Auge, und so näherte er spontan seine Lippen der staubigen Stirn seines Partners, drückte sie sanft darauf und wisperte: "Alles wird wieder gut, Charles!". Anschließend entließ er Charles aus seiner Umarmung, richtete sich wieder auf und half dann auch seinem Partner wieder auf die Beine. Und während Charles Wannabe sich daraufhin etwas weniger bedrückt als zuvor zu dem im zwischenzeitlich eingetroffenen Krankenwagen versorgten Henry Fist begab, tippelte Lukas Svensson gedankenversunken mit leicht gesenktem Haupt auf dem Hofgelände in die entgegengesetzte Richtung - dorthin, wo sich das blendende Flutlicht der aufgefahrenen Scheinwerfer all der Trubel und das Menschengewimmel von Rettungseinsatz und Spurensuche im Dunkel der Nacht zu verlieren begann.

Er mußte nach Charles Wannabes anrührender Kindheitsgeschichte über seiner Mutter unweigerlich an seine eigenen Eltern denken, die er ja vor vielen Jahren gerade zur Weihnachtszeit unter kaum weniger schmerzlichen Umständen durch einem Autounfall verloren hatte. Wie bitterlich hatte er damals monatelang geweint?! Wie wütend war er auf das Schicksal gewesen und auf Gott und die Welt, die ihm das Liebste im Leben unwiderbringlich genommen hatten?! Ja, er verstand nur allzugut, wie Charles sich damals gefühlt haben mußte und wie er sich heute fühlte! Auch Lukas Svensson hatte sich damals vorgenommen, nie wieder einen Menschen so nahe an sich heran zu lassen, daß ihm dessen Verlust noch einmal so weh tun könnte. Doch was war das denn noch für ein Leben, wenn man sich dem Gefühl der Liebe mit all ihren möglichen Auswirkungen völlig verschloß? Nein, ein Leben ohne Liebe, das war geradezu so, als ob man zu Lebzeiten schon tot wäre. Und so war er das Wagnis, einen Menschen zu lieben, doch immer wieder eingegangen - erst mit Nina, dann mit Yelena. Und er war sich sicher, auch Charles würde - sobald sich der erste Schmerz des Verlustes wieder ein wenig gelegt hatte - der Liebe noch einmal eine neue Chance geben, wobei Lukas Claudia als die momentan aussichtsreichste Kandidatin für einen solchen Schritt ansah. Ein leises Rascheln in seiner unmittelbaren Nähe riß Lukas jäh aus seinen Gedanken. Er kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was jenes Geräusch wohl verursacht haben könnte. Seine Pupillen gewöhnten sich dabei nur langsam an die ihn umgebende Finsternis, dann aber erspähte er die Umrisse einer Hecke und der hinter ihr gelegenen Mauer. Ein kurzes Knacken war hinter der Hecke zu vernehmen, dann sah er plötzlich einen menschlichen Schatten, dessen Hände die Oberkante der Mauer umfaßten und sich an ihr hochzuziehen versuchten. Binnen Sekundenbruchteilen hatte der Schatten sich mit beiden Armen und der oberen Körperhälfte auf der Mauerkrone aufgestemmt und schickte sich nun bereits an, auch den Unterkörper dorthin nachzuziehen. Lukas aber rief: "Hey Sie, wer sind Sie und was machen Sie da? Kommen Sie sofort wieder herrunter!". Der Schatten wendete sich und brachte seinen Leib auf der Mauerkrone zum Sitzen, und Lukas blitzten zwei grünfunkelnde Augen entgegen. Dann erhob die dunkle Gestalt einen ihrer Arme, wobei Lukas in ihrer Hand so etwas wie eine Pistole zu erkennen glaubte. Ein Schuß peitschte durch die Nacht, wobei das abgefeuerte Geschoß Lukas beim Aufprall in Brusthöhe seinen Körper sofort zu Boden riß. Nur mühsam bäumte sich der Oberkörper des Exinspektors noch einmal auf, und griff sich - noch immer in das giftgrüne Augenpaar des sitzenden Schattens blickend - mit der rechten Hand an die Brust. Dann erhob er jene, inzwischen zusammengeballte Hand und schleuderte sie wutentbrannt der Gestalt auf der Mauer entgegen, wobei sich aus der Umklammerung seiner Finger ein quaderförmiger Gegenstand löste, der am Ende seiner elliptischen Flugbahn zielsicher am Kopf des Schattens aufschlug. Der Schatten selbst aber fiel daraufhin rücklings von der Mauerkrone herab.

Grelles Scheinwerferlicht traf in dieser Sekunde auf den nun wieder flach am Boden auf dem Rücken liegenden Lukas Svensson, dessen Augen weit aufgerissen waren und dessen Regenmantel über dem Herzen ein deutliches, kreisförmiges Brandloch aufwies. Jack aber kam von ferne auf seinen Freund zugestürmt, warf sich neben ihm auf die Knie und hob dessen Oberkörper mit seinem untergelegten Arm an. Mit der freien Hand befühlte er eingehend die Eintrittsstelle des Geschosses und stammelte dabei: "Lukas, Lukas! Na komm schon, jetzt sag doch was, mein Freund!". Lukas Svensson aber gab keinen Mucks von sich. Er lag einfach nur regungslos da in Jacks Arm. Jack aber riß seinen Kopf nach hinten und brüllte in Richtung des Scheinwerfers: "Verdammt! Wo bleibt denn der Sanitäter!". Da zupfte es leicht an seinem Arm und eine leise Stimme sprach: "Du solltest hier nicht an meiner Brust spielen, mein Freund, sondern lieber mal einen Blick auf die andere Seite der Mauer werfen. Wenn mich nicht alles täuscht, dann liegt da nämlich ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für Dich!". Erst jetzt erfühlte Jack unter Svenssons Regenmantel etwas Hartes. Es war zweifelsohne jene schußsichere Weste, die er ihm vor dem Einsatz durch Powerich hatte überreichen lassen und die Lukas danach noch gar nicht wieder abgelegt hatte. In seinem Arm rappelte sich der noch etwas benommene Svensson rasch wieder hoch und schaute dabei auf seinen durchlöcherten Trenchcoat, wozu er raunte: "Geht ja noch, ich werd mir einfach von der Innenseite einen Fahrradschlauchflicken draufkleben. Oder ich mach mir von außen Ninas alten knallgelben Sonnenbutton mit dem Slogan 'Atomkraft, nein Danke!' drauf". Jack aber grinste ihn sichtlich erleichtert an: "Du alter Spinner! Hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, mein Lieber! Und jetzt steh endlich auf! Lang genug rumgelegen und Leute erschreckt! Zeit zum Geschenkeauspacken!". Jack erhob sich und half dann auch Lukas auf die Beine. Dabei fiel sein Blick auf die Hecke mit der dahinterbefindlichen Wand und schweifte dann noch einmal in Richtung der ein wenig abseits gelegenen Hochhausruine, wobei er sachte den Kopf schüttelte und überlegte. Lukas bemerkte das eigentümliche Verhalten seines Freundes und fragte besorgt: "Ist was mit Dir, Jack?". Der CI7 Boß aber raunte: "Merkwürdig, nach unserer Runde ums Haus vorhin hätt ich echt schwören können, daß hier an dieser Stelle vor der Explosion noch eine von diesen alten, blauen und typisch britischen Polizeirufzellen gestanden hat. Na, da hab ich mich dann wohl geirrt!". Mit einem Satz war Jack daraufhin an der Mauer, mit einem weiteren hockte er auf ihr, und mit einem dritten war er schließlich hinter ihr verschwunden. Von dorther aber vernahm man eine Sekunde später das Klicken eines Handschellenpärchens, dann das mehrfach intensive Klatschen einer Handinnenfläche auf ein paar Wangenknochen. Und nach einem leisen Aufstöhnen und Röcheln vernahm man wieder die feste Stimme Jacks, die verkündete: "Lou Cypher, nehme ich an?! Ok, nun dann, Sie sind festgenommen! Sie haben das Recht zu reden! Und das wars dann auch schon mit Ihren Rechten, was mich angeht. Und sollten Sie bei Ihrer Festnahme und Überstellung irgendeine linke Tour vorhaben, dann mach ich Sie mal mit meiner Rechten bekannt!". Ein kurzes Rascheln war zu hören, dann ein verdutztes: "Was ist denn das?! Lukas, sag mir jetzt bloß nicht, Du hast diesen Mistkerl mit einem Wurf Deines Handys zur Strecke gebracht?!". Lukas aber grinste und rief über die Mauerkrone hinweg: "Was denn?! Ich hab mich doch nur an das gehalten, was meine Frau mir gesagt hat, als sie mir das Handy schenkte! Sie meinte, es sei nur für den Notfall! Und wenn das hier jetzt kein Notfall war, also dann weiß ich ja nicht!".

Im Rettungswagen hockte zur gleichen Zeit Charles Wannabe an der Seite Henry Fists, dem es nach der medizinischen Versorgung seiner unzähligen Wunden und der intravenösen Gabe von Kochsalz- und Glukoselösung sowie der Injektion eines starken Schmerzmedikaments schon ein wenig besser zu gehen schien, und hielt dessen eiskalte Hand. Wannabe sah Fist dabei tief in die halbgeschlossenen Augen und flüsterte: "Alles wird gut, mein Lieber! Jetzt werden Sie erstmal schnell wieder gesund, und dann kümmere ich mich um Sie! Wir besorgen Ihnen einen Job und eine kleine Wohnung und bringen Ihr Leben endlich wieder in geordnete Bahnen zurück! Darauf haben Sie mein Wort!". Und als Henry Fist daraufhin ein paar Minuten später seelenruhig und mit einem sanften Lächeln eingeschlummert war, ließ Charles dessen Hand behutsam wieder auf die Trage zurückgleiten und verließ auf leisen Sohlen den Rettungswagen über den hinteren Ausstieg, dessen Türen sogleich vor seinen Augen geschlossen wurden, worauf das Fahrzeug rasch in Richtung des St.Peter Memorial Hospitals entschwand.

Wannabe aber begab sich, einen letzten traurigen Blick auf die Ruinen des ehemaligen Hochhauses werfend, mit einem leisen "Machs gut und flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund!" langsamen Schrittes in Richtung Torbogenausgang und von dort zu Claudias Wagen zurück, wo er Minuten später gerade noch Zeuge wurde, wie der abgeführten Lou Cypher von Jack in den Frachtraum eines der - mit vergitterten Panzerglasfenstern ausgestatteten und von sechs seiner Männer streng bewachten - Mannschaftswagen verladen wurde. Ungläubig schaute er auf das grinsende Monster mit den grünfunkelnden Augen. Dabei ballten sich seine Hände zu Fäusten und wutschnaubend brüllte alles aus ihm heraus: "Ist das etwa dieses Untier?! Cypher, Sie elender Dreckskerl, ich schwöre Ihnen, Sie werden für all das auf Heller und Penny bezahlen, was sie Henry Fist und meinem kleinen Vierbein angetan haben! Ich werde solange ich lebe nicht eher Ruhe geben, bis Sie endlich bekommen haben, was Sie verdient haben! Und das ist keineswegs eine kalte Drohung, sondern ein heißes Versprechen!". Lou Cypher aber spie im Einsteigen vor ihm aus und meinte unbeeindruckt: "Ach, fahr doch zur Hölle!". Und an den Rest der um ihn Versammelten ergänzte er etwas lauter: "Fahrt doch alle zur Hölle!". Jack aber hinter ihm schubste ihn reichlich unsanft ins Wageninnere und knurrte dabei verärgert: "Sie zuerst, Cypher!". Dann ließ er hinter ihm die schweren Eisentüren zufallen und verschloß sie von außen insgesamt siebenmal.

Charles Wannabe aber reichte erst ihm, dann auch allen anderen Männern und Frauen aus den Reihen des CI7 und ganz zuletzt noch Powerich und Timmy seine Hand und verabschiedete sich dankend von ihnen. Dann aber ging er zu Lukas Svensson und legte ihm den Arm um die Schulter, wozu er wisperte: "Vielen Dank für alles, mein Freund! Sie haben jetzt echt einen Stein bei mir im Brett, wie man so schön zu sagen pflegt!". Lukas lächelte gerührt: "Das haben Sie aber schön gesagt, und vor allem so passend. Sie müssen nämlich wissen, ich sammle schon seit meiner Kindheit Steine!". Charles Wannabe sah ihn ein wenig überrascht an, wobei sein Arm von Svenssons Schulter den Rückzug antrat. Dann aber schmunzelte er: "Und ich dachte eigentlich immer, wenn jemand in ihrem Alter Steine sammelt, dann wären das Gallen- und Nierensteine!". Lukas Svensson aber schüttelte milde den Kopf hin und her: "Ach Charles, schon wieder ganz der Alte, was?! In mancher Beziehung ändern Sie sich ja wohl anscheinend doch nie!". Und während nun auch Charles auf dem Weg zu Claudias Wagen den Kopf zu schütteln begann, ergänzte sein Partner schmunzelnd: "Und im Grunde genommen ist das auch gut so! Denn irgendwie würde mir da sonst etwas fehlen!". Wannabe aber hatte sich bereits auf der Fahrerseite im Innern des Palmerschen Flitzers niedergelassen, von wo aus er jetzt verkündete: "Sagen Sie mal, Lukas, es würde Ihnen doch sicher nichts ausmachen, für Ihren Heimweg die Ubahn zu nehmen, oder?! Ich hab da nämlich noch eine ganz wichtige Sache zu erledigen und würde anschließend Misses Palmer gern ihr Auto wieder zurückbringen!". Lukas aber nickte: "Schon ok, Charles! Wir sehen uns dann morgen abend, pünktlich um 18 Uhr in der Kirche?!". Wannabe schloß, den Daumen der rechten Hand nach oben streckend und gleichzeitig ein Auge zudrückend, die Autotür, wobei er noch ausrief: "Geht klar, alter Schwede!". Dann legte er einen Kavaliersstart der Extraklasse hin und rauschte vondannen. Lukas aber verabschiedete sich noch rasch von Jack und seinen Leuten. Dabei lud er seinen amerikanischen Freund auch zum Krippenspiel in der St.Pauls Cathedral ein. Jack aber lehnte bedauernd ab: "Sorry, Lukas! Aber auf mich wartet morgen vormittag schon ein längstgebuchter Flug in die Staaten zu einem Weihnachtskurzurlaub. Ich möcht die Feiertage nämlich gern bei meiner Kim verbringen, weißt Du?! Ich meine, das verstehst Du doch?!". Und Lukas antwortete: "Aber klar doch! Grüß Deine Tochter bitte ganz lieb von mir! Ich wünsche Euch Beiden von ganzem Herzen recht besinnliche und schöne Feiertage!". Dabei drehte er sich noch einmal im großen Bogen zu allen anderen aufbruchbereiten Agents um und ergänzte: "Und Ihnen allen natürlich auch ein Frohes Fest im Kreise Ihrer Lieben!". An Timmy und Powerich gewandt aber sprach er: "Und für Euch gibts keine Ausrede, meine Freunde! Wir sehn uns morgen abend zum Krippenspiel! Verstanden!". Powerich und Tim Hackerman nickten lachend. Dann begaben sich die Umstehenden allesamt in ihre Fahrzeuge und binnen weniger Augenblicke ging der ganze Konvoi samt Gefangenentransport in Richtung CI7 Hauptquartier auf die Reise, wobei aus dem Autoradio des vorderen Transporters der Weihnachtsklassiker 'Wonderful Dream' von Melanie Thornton zu vernehmen war. Lukas aber machte sich - leise die wundervolle Melodie der viel zu früh verstorbenen Künstlerin vor sich herpfeifend - auf den Weg zur nächstgelegenen Ubahnstation, von der aus es dann schnurstracks und ohne Umwege nach Hause zu seiner geliebten Yelena gehen sollte ...

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